Otto Weddigen schrieb Militärgeschichte

Vor 100 Jahren drei englische Panzerkreuzer versenkt – Mathias Polster spricht über den U-Boot-Kommandanten aus Herford

Kaum hatte Otto Weddigen drei englische Panzerkreuzer versenkt, wurde er zum Herforder Ehrenbürger. Mit dem Wirken des U-Boot-Kommandanten, der zu einem der deutschen Helden des Ersten Weltkriegs glorifiziert wurde, beschäftigt sich Mathias Polster in einem Vortrag.

Am 22. September jährt sich die spektakuläre Versenkung der englischen Kriegsschiffe zum 100. Mal. Stadtführer Mathias Polster nimmt dieses Datum zum Anlass, Otto Weddigen und seinen Nachruhm näher zu beleuchten. Sein Vortrag in der Aula der VHS am 24. Oktober um 19:00 Uhr.

Dass Otto Weddigen nicht nur aus lokalpatriotischer Sicht eine wichtige Person der jüngeren Militärgeschichte war, zeigt auch die große Ausstellung zum Ersten Weltkrieg im Deutschen Historischen Museum Berlin. Über die Euphorie nach Weddigens Militärschlag vom 22. September 1914 heißt es im Katalog: „Plötzlich war das U-Boot eine ernst zu nehmende Waffe, die geeignet erschien, der britischen Überlegenheit auf allen Ozeanen aus der Tiefe heraus entgegenzutreten.“ Dass Otto Weddigen in ganz kurzer Zeit zum Helden avancierte, hat, so das Museum, auch mit der neuen Technik zu tun: „Ähnlich wie die Fliegerei konnte auch die junge U-Boot-Waffe der Propaganda dekorative Helden stellen, was sonst angesichts von Massenheeren, Materialschlachten und Stellungskrieg schwierig war.“

Otto Weddigen war demnach der richtige Mann zur richtigen Stunde am richtigen Ort. Für Mathias Polster geht es darum, sich dem U-Boot-Kommandanten möglichst wertneutral zu nähern. Er wolle ihn weder als Helden verehren noch als Kriegsverbrecher verdammen. Der Referent betrachtet Lebenslauf, Karriere und Nachruhm, wobei er sein Fazit auf die Formel bringt: „Er war ein erfolgreicher Soldat, der seine Aufgaben besser gemacht hat als andere.“

Geboren wurde Otto Weddigen am 15. Oktober 1882 in Herford. Er war der Sohn einer Fabrikantenfamilie, hatte allerdings nicht vor, Kaufmann zu werden. Zwei Klassen musste er als Schüler am Friedrichs-Gymnasium wiederholen. „Seine Fähigkeiten lagen eindeutig im sportlichen und technischen Bereich“, betont Mathias Polster. Weil man bei der Marine auch als Bürgerlicher Karriere machen konnte, trat er als Offiziersanwärter in die Kaiserliche Marin ein. 1908 kam der Herforder zu der im Aufbau befindlichen U-Boot-Waffe, zwei Jahre später erhielt er sein erstes Kommando.

Wenige Tage nach Kriegsausbruch lief der Kapitänleutnant des Bootes U9 mit neun weiteren Unterseebooten von Helgoland zum ersten Einsatz aus. Mathias Polster über das Ergebnis: „Es war die erste Kriegshandlung durch deutsche U-Boote überhaupt – und sie misslang.“ Dann kam der 22. September 1914, als sich das Blatt wendete. Bei einer Aufklärungsfahrt wurden 50 Kilometer nördlich von Hoek van Holland drei englische Panzerkreuzer gesichtet. In nur 75 Minuten sei es Weddigen und seiner Mannschaft gelungen, die Kriegsschiffe nacheinander zu versenken, erklärt der Referent. Etwa 1500 Menschen seien ums Leben gekommen. Als das U-Boot zurück in Wilhelmshaven war, wurden Weddigen und seine Leute triumphal empfangen.

Zahlreiche Ehrungen waren die Folge. Als U9 am 15. Oktober 1914 den britischen Kreuzer Hawke versenkte, erhielt der Kapitän den höchsten preußischen Tapferkeitsorden, den „Pour le mérite“. Und Weddigen bekam das Kommando über U29, ein größeres U-Boot – mit dem er mehrere Handelsdampfer versenkte. Zum großen Ruhm des Kommandanten in England hat die Tatsache beigetragen, dass er die Zivilbesatzung vorher warnte. Und wenn die Rettungsboote nicht ausgereicht hätten, so Polster, habe Weddigen englischen Berichten zufolge von sich aus die Übriggebliebenen an Land gebracht.

Das Ende kam am 19. März 1915. Nach einem Fehlschuss wird auf dem Schlachtschiff HMS Dreadnought das Periskop des U-Bootes gesichtet. Es gelang Otto Weddigen nicht mehr, rechtzeitig abzutauchen, und das U-Boot wurde gerammt: Der Kapitän und seine Mannschaft kamen ums Leben.

Der Tod des jungen Soldaten trug zur weiteren Heroisierung bei, die in der Nazizeit neue Blüten trieb. Weddigen selbst hat den ganzen Trubel zu Lebzeiten offenbar skeptisch gesehen. „Er war der Meinung, dass es zu viel war“, hat Referent Polster bei seinen Recherchen herausgefunden. Aus ganz Deutschland erhielt der Held Post nach Herford. An seine Familie schrieb er, er könne nicht nach Hause kommen, weil er nicht in der Lage sei, die Post zu beantworten.

In Herford wurde sein Andenken nach dem Zweiten Weltkrieg teilweise kritisch gesehen. So musste das nach ihm benannte Weddigen-Ufer für eine kurze Zeit als Werreufer geführt werden. Andererseits ist Otto Weddigen bis heute Ehrenbürger der Stadt. Am 9. Oktober 1914 hatte der Rat beschlossen, dem Sohn der Stadt das Ehrenbürgerrecht zu verleihen – gerade einmal zweieinhalb Wochen nach seinem spektakulären militärischen Erfolg.

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